18.00/20.30
Havanna, Kuba, im Jahre 1994. Die Zeiten sind hart auf der Zuckerinsel. Die Sowjetunion ist zusammengebrochen, die langjährige Unterstützung durch das sozialistische Bruderland gibt es nicht mehr. Gleichzeitig sehen die USA ihre Chance gekommen Fidel Castro endlich den Garaus zu machen und ziehen die Schraube ihrer Handelsblockade noch weiter an. So sitzen die 74-jährige Candelaria (Veronica Lynn) und ihr 76-jähriger Ehemann Victor (Alden Knight) in ihrer kahlen Wohnung vor kargen Mahlzeiten und warten stumm auf den Moment, an dem das Licht ausgeht – Stromsperre. Bei Kerzenlicht gehen sie zu Bett. Arbeiten müssen beide trotz ihres Alters auch immer noch, Candelaria als Waschfrau in einem Hotel, Victor in einer Zigarrenfabrik. Die Liebe ist in ihrem harten Alltag längst verloren gegangen. Das ändert sich, als Candelaria in der schmutzigen Hotelwäsche eine Videokamera findet und mit nach Hause nimmt. Durch die Linse der Kamera lernen beide, den anderen mit ganz neuen Augen zu sehen. Das lässt ihre Liebe ein zweites Mal entflammen. Der kolumbianische Regisseur Jhonny Hendrix Hinestroza beobachtet diesen erotischen Neuaufbruch wunderbar dezent. Da reicht es schon, dass beide auf einer Bank sitzen und sich küssen wie schüchterne Teenager. Erst als sie schweren Herzens aufstehen, versteht der Zuschauer, dass sie darauf gewartet haben, sich in einer Schlange gegenüber für irgendeine Mangelware anzustellen. Der Film ist reich an solchen Szenen, die in realistischer und poetischer Verdichtung das Leben in der Krise auf den Punkt bringen. Und vielleicht das wichtigste: Candelaria und Victor sind, wie ein Bekannter es ausdrückt, „komplett im Eimer, aber nicht unterzukriegen“.
Kuba/Kolumbien 2017, Regie: Jhonny Hendrix Hinestroza, Darsteller: Veronica Lynn, Alden Knight, ab 6, 89 min