18.00/20.30
Viele Menschen im fortgeschrittenen Alter verklären ihre Jugend und werfen gerne einen Blick zurück auf eine zumindest in der Erinnerung weitgehend unbeschwerte Zeit. Nicht so Marie (Margarita Broich). Sie öffnet eine große, alte Kiste, angefüllt mit Familienfotos und 16-mm-Aufnahmen. Es ist der Nachlass ihres Vaters, der in einem Pflegeheim lebt. Die Regisseurin Petra Seeger erzählt hier autobiographisch ihre eigene Familiengeschichte: Die Fotos und Filme stammen in Wirklichkeit vom Vater der Filmemacherin, dem professionellen Fotografen Ernst Kandel. Seeger schildert eine Kindheit und Jugend in den sechziger und siebziger Jahren. Und es ist keine schöne Zeit für die junge Marie. Die Mutter wird krank und stirbt und Maries Vater erwartet, dass sie im Haushalt an ihre Stelle tritt. Aber „Vatersland“ liefert nicht nur eine Leidensgeschichte, sondern erzählt auch von Emanzipation, von der Klosterschule über die Wohngemeinschaften bis hin zur revolutionären Zelle der Maoisten (die in ihrer autoritären Struktur der Situation in Maries Familie in nichts nachsteht). Naturgemäß ist der Film konsequent aus Maries, aus weiblicher Sicht erzählt. Das eigentliche Ereignis ist dennoch Bernhard Schütz als Vater. Dem „rutscht schon mal die Hand aus“, gleichzeitig spürt man immer auch seine Hilflosigkeit, seine Überforderung, seine Sprachlosigkeit und emotionalen Defizite, die symptomatisch waren für diese Generation von Männern.
Deutschland/Belgien 2020, Regie: Petra Seeger, Darsteller: Margarita Broich , Bernhard Schütz, Matti Schmidt-Schaller, ab 12, 118 min