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Der englische Landschaftsmaler William Turner (1775-1851) war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Der radikale Künstler hat die Malerei für immer verändert. Mit seinen lichtdurchfluteten Seestücken und Landschaften schuf er bereits 60 Jahre vor den Abstrakten des 20. Jahrhunderts Gemälde, die mit realistischer Bildwiedergabe nicht mehr viel zu tun haben. Kein Wunder, dass nicht nur Queen Victoria not amused war. „Abscheulich“ und „schmutziges gelbes Geschmiere“ nennt die Königin im Film Turners Werk bei einem Ausstellungsbesuch in der Royal Academy. Regisseur Mike Leigh setzt diesem Malergenie nun ein Denkmal – und lässt sich voll ein auf die eklatanten Widersprüche in Leben und Charakter des Künstlers. Ein vierschrötiges Äußeres paart sich mit bärbeißigem Verhalten. Für den exzentrischen und arbeitswütigen Einzelgänger ist Diplomatie ein Fremdwort. Seine Wohnung teilt er mit seinem Vater und seiner Haushälterin Hannah. Die ist ihm innig zugetan, was Turner schamlos ausnutzt, vor allem in sexueller Hinsicht. Und doch ist dieser Mann auch zu äußerster Sensibilität und Zärtlichkeit fähig. Hauptdarsteller Timothy Spall gelingt es, den wortkargen Egomanen in seiner ganzen Widersprüchlichkeit zu verkörpern. Mit den Bildern des Kameramannes Dick Pope taucht der Zuschauer ein in eine versunkene Welt. Viele Leinwandszenen scheinen selbst wie goldene Gemälde zu schimmern – und für Regisseur Mike Leigh, einen der Altmeister des britischen Kinos, erfüllte sich mit dem Turner-Projekt ein Lebenstraum.
Großbritannien 2014,
Regie: Mike Leigh,
Darsteller: Timothy Spall, Paul Jesson, Dorothy Atkinson,
ab 6,
150 min