18.00/20.30
Wie beschreibt man diesen Film? Einen Film ohne durchgehende Handlung, ohne plot wie man so schön sagt. Versuch: Im Mittelpunkt steht das titelgebende melancholische Mädchen (Marie Rathscheck), es wird im Film namenlos bleiben. „Marie“ ist selbsternannte Schriftstellerin, allerdings mit Schreibblockade, und jeden Tag aufs neue auf der Suche nach einem Schlafplatz. Sie streift durch Berlin und trifft verschiedene Männer, die sie schnell nach Hause begleitet und dann ebenso schnell wieder verlässt. Wir begleiten sie in 15 Episoden, die so unterschiedliche Themen behandeln wie Depression, Mutterrolle und Selbstoptimierungswahn. Sie alle tragen Namen wie „Feminismus zu verkaufen“ oder „Die Gewalt der Liebesmärchen“. Dabei bewegt sich die Streunerin durch extrem stilisierte Szenenbilder, die aussehen wie Kulissen für Werbespots. Die Regisseurin Susanne Heinrich erlaubt es sich auch, munter zwischen den Kategorien hin- und herzuspringen, mal poppig, mal philosophisch, streng in der Form und zugleich unheimlich verspielt. Da ist zwischen Bumsbar, Bett und Hochkulturtempel alles erlaubt. Diese Mischung aus Spiel- und Experimentalfilm ist unterhaltsam, eigenwillig und extrem interpretierfähig. So etwas ist selten im deutschen Kino – dieser Film konnte in dieser Form wohl nur entstehen, weil er, nun ja, unter falscher Flagge segelte. Gegenüber der Berliner Film- und Fernseh-Akademie wurde er als knackiger 30-Minüter ausgegeben und dann unter der Hand auf fast die dreifache Länge aufgeblasen.
Deutschland 2019, Regie: Susanne Heinrich, Darsteller: Marie Rathscheck, Nicolai Borger, Malte Bündgen, ab 12, 80 min