18.00/20.30
„Fester!“ fordert die Kaiserin Elisabeth von Österreich von ihren Kammerzofen, die ihr das Korsett um den schmalen Leib schnüren, fester, immer noch fester! Es bleibt offen, ob sich die 40-jährige den Schönheitsidealen ihrer Zeit beugt, den Spuren des Alters auf ihrem Körper trotzt oder ob sie sich da einen schützenden Panzer anlegt gegen die Zumutungen, denen sie im Jahre 1877 unterworfen ist, auch und gerade als Ehefrau des Kaisers der k.u.k.-Monarchie. Dennoch, die Kaiserin ist selbstbewusst genug, um mit ihrer Eigenständigkeit Risse in das Korsett ihrer Zeit zu treiben. Wo sie kann, sprengt sie das Protokoll und die Erwartungen, die an sie gestellt werden. Vicky Krieps verkörpert diese Frau, aber ganz anders als Romy Schneider ihre Sissi in den 50er Jahren dargestellt hat. Vicky Krieps ist kantig, streng und widerständig. Dennoch kann sie den Zwängen ihrer Epoche nicht entkommen. Ihr Käfig mag vergoldet sein, ein Käfig bleibt es trotzdem. Die österreichische Regisseurin Marie Kreutzer bürstet den Sissi-Stoff gehörig gegen den Strich und zudem arbeitet sie mit bewussten Stilbrüchen. Auf den Feldern sind Traktoren zu sehen, das Kino ist bereits zwanzig Jahre vor seiner wirklichen Erfindung vorhanden und auf einer Harfe erklingt ein Song der Rolling Stones. Gewollte Irritationen als Brückenschlag zum hier und heute.
Österreich 2022, Regie: Marie Kreutzer, Darsteller: Vicky Krieps, Florian Teichtmeister, Katharina Lorenz, ab 12, 113 min