18.00/20.30
Wir sehen einen Mann in seiner bürgerlichen, ländlich oberbayerischen Welt. Des Nachts jedoch, in den Straßen von München, verwandelt er sich in eine Frau. Seine Leidenschaft, Frauenkleider zu tragen, lebt er heimlich aus. Erst als seine Frau die weiblichen Dessous im Schrank entdeckt, offenbart er ihr, dass die Kleidungsstücke keiner möglichen Geliebten, sondern ihm selbst gehören. Seine Frau jedoch akzeptiert ihren geliebten Mann so wie er ist und schweigt, auch vor ihren zwei Töchtern. Erst nach dem Unfalltod des Vaters erfahren die beiden von dessen Doppelleben. Die Regisseurin Uli Decker ist eine dieser Töchter und sie erkundet in „Anima – Die Kleider meines Vaters“ dieses Doppelleben. Natürlich gibt es keine Bilder vom Vater in Frauenkleidern, geschweige denn Filmaufnahmen und so macht sie sich auf die Suche nach Zeugen. Menschen, die ihr erklären sollen, was der Vater nicht mehr erklären konnte. Sie spricht mit Angehörigen, mit Freunden der Familie, zeigt das Umfeld ihres Vaters und die Fernsehnachrichten, die seinen tragischen Tod melden. Dazwischen setzt sie collagierte, gezeichnete und animierte Szenen und Fotos. Decker zeigt auf ungeheuer leichte und humorvolle Weise, wie variantenreich sexuelle Identität sein kann, die sich nicht auf das binäre Modell von Mann und Frau beschränken lässt. Sie zeigt die vielen Möglichkeiten von Graustufen auf – ein Weg hinaus aus jenem Schwarz-Weiß-Denken, das die Welt ihres Vaters noch bestimmte. Ein Film, der klug und witzig über geschlechtliche Vielfalt nachdenkt. In Saarbrücken bekam Uli Decker dafür den Max-Ophüls-Preis für den besten Dokumentarfilm.
Deutschland 2022, Regie: Uli Decker, Dokumentation, ab 6, 94 min