29.8. | Foxtrot

18.00/20.30

Schon beim Anblick der Soldaten, die an die Tür ihres stilvollen Appartements in Tel Aviv klopfen, wissen Michael (Lior Ashkenazi) und Dafna (Sarah Adler) was passiert ist: Ihr Sohn Jonathan (Yonaton Shiray) ist gefallen, gestorben im Dienst für sein Land, den jeder junge Israeli ableisten muss, oft an den Grenzen der besetzten Gebiete, an Straßenposten oder gleich in einem der vielen Kriege, die Israel immer wieder führt. Während Dafna wie gelähmt ist, steigern sich Michaels anfängliche Trauer und Verständnislosigkeit langsam zu rasender Wut. Doch dann kommt die Nachricht: Jonathan lebt, es handelte sich bei der Todesmeldung um eine Verwechslung, einen Fehler im System. Schnitt in die Einöde der Wüste. Und da sehen wir Jonathan und drei andere Soldaten wie sie in einem Container im Niemandsland hausen und einen Straßenposten bewachen. Manchmal kommt ein Kamel vorbei, manchmal ein Auto mit Palästinensern. Meist passiert gar nichts, doch allzu schnell kann die Situation in einer Katastrophe enden, wie die weiteren, schicksalshaften Ereignisse zeigen. Der Foxtrott ist ein Tanz, bei dem sich die Tänzer zwei Schritte vor, zwei nach links, zwei zurück und schließlich zwei nach rechts bewegen, anders gesagt im Kreis. Israel ist ein Land, das sich seit seiner Gründung vor genau 70 Jahren im praktisch dauerhaften Kriegszustand mit seinen Nachbarn befindet, aber auch mit den im israelischen Kernland oder den von Israel besetzten Gebieten lebenden Palästinensern, also praktisch mit sich selbst. Der Regisseur Samuel Maoz, der bereits mit seinem Debüt „Lebanon“ einen mehr als kritischen Blick auf seine Heimat geworfen hat, geht in seinem zweiten Film noch viel weiter. Viel Kritik hat er in Israel für seine Darstellung des Militärs bekommen, einer Institution, die wie sonst in kaum einer anderen modernen Demokratie im Mittelpunkt des täglichen Lebens steht, denn praktisch jede Familie hat unmittelbar mit ihr zu tun. In Israel muss wirklich jeder zum Militär. Im Dienste der Nation, wie die Verfechter des Status Quo sagen, im Dienste einer fragwürdigen Politik, wie Kritiker meinen. In den zum Teil aufgedrängten, zum Teil selbstgewählten Kriegen entsteht ein unaufhörlicher Kreislauf der Gewalt. Ein allzu selbstverständlicher Teil der israelischen Gesellschaft sind Krieg und Gräueltaten in Maoz‘ Augen inzwischen geworden. Sie prägen Generation auf Generation, deren Traumata vom Staat nur auf mechanische Weise behandelt werden. Immer neue Traumata, die aber nie Anlass für ein grundsätzliches Nach-oder gar Umdenken sein dürfen. Eine düstere Zustandsbeschreibung seines Landes inszeniert Maoz in „Foxtrot“ und über allem schwebt die Frage, wie es mit Israel weitergehen mag, wie sich das Land aus diesem fortgesetzten Kreislauf befreien kann, den der Regisseur so präzise diagnostiziert. Eine bestechende Anti-Kriegs-Parabel, die ein tieferes Nachdenken über den palästinensisch-israelischen Konflikt fordert.
Israel 2017, Regie: Samuel Maoz, Darsteller: Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonaton Shiray, ab 12, 113 min