18.00/20.30
Mit bedächtigen Bewegungen näht Leonard Burling (Mark Rylance) ein Knopfloch um. Behutsam lässt er seine Schere durch edlen Wollstoff gleiten. Diesem schmalen Mann bei seiner konzentrierten Demonstration einiger von 228 Arbeitsschritten hin zu einem Maßanzug zuzuschauen, bereitet ein schwer definierbares Vergnügen. Der englische Maßschneider hat sein Atelier in der Londoner Savile Row aufgeben müssen und ist für einen Neuanfang nach Amerika umgezogen. Doch mit dem Chicago im Jahre 1956 ist definitiv nicht zu spaßen. Unter Leonards Kunden befindet sich der irische Mafiapate Roy Boyle plus Anhang. Die öffentlichkeitsscheuen Herrschaften nutzen das Hinterzimmer des Schneiderateliers gerne als geheimen Briefkasten. Leonard versteckt sich vor den ruppigen Besuchern hinter seiner Arbeit, aber als Richie (Dylan O’Brien), der präpotente Sohn des Mafiabosses, angeschossen wird und in seinem Laden Unterschlupf sucht, kann sich der Schneider nicht mehr länger heraushalten. Draußen lauern zudem die konkurrierende Lafontaine-Bande sowie das ominöse Gangster-Netzwerk The Outfit – für Leonard wird die Luft in seinem Laden immer dünner. Der Film des Regisseurs Graham Moore ist betont british inszeniert. In seinen knappen Dialogen erinnert er an den englischen Dramatiker Harold Pinter und außerdem an den Londoner Theater-Dauerbrenner „Die Mausefalle“ von Agatha Christie. Hier wie dort geht es um die listenreiche Strategie von Menschen, die, allein unter Raubtieren, ums Überleben kämpfen müssen. Ein außergewöhnlich spannendes filmisches Kammerspiel.
USA 2022, Regie: Graham Moore, Darsteller: Mark Rylance, Dylan O’Brien, Zoey Deutch, ab 16, 105 min