18.00/20.30
Pfirsichbäume, so weit das Auge reicht. Das rotgelbe Leuchten der reifen Früchte. Das ist die Obstplantage der Familie Solee in Alcarras im Nordosten Spaniens. Doch die Tage der Plantage sind gezählt. Die Solees sind nur Pächter ohne schriftlichen Vertrag. Jahrzehntelang reichte ein Handschlag, um das Recht auf Bewirtschaftung zu verlängern. Jetzt nicht mehr. Der Grundbesitzer Pinyol hat neue Pläne, die Plantage soll nach der nächsten – und letzten – Ernte einem Solarpark weichen. „Alcarras“ gewann bei der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären. Das kam überraschend, denn der Film ist nur in Ansätzen ein politischer. Vielmehr konzentriert sich die Regisseurin Carla Simon auf die zwischenmenschlichen Verwerfungen, die die Vertreibung von Grund und Boden bei der Familie der Obstbauern auslöst. Da ist der Großvater Roger, der nicht begreifen kann, dass ein Handschlag plötzlich nichts mehr zählt, da ist der Vater Quimet, der seine ohnmächtige Wut an der restlichen Familie auslässt, da ist die pragmatische Mutter Dolors, die den dem Untergang geweihten Betrieb doch irgendwie zusammenhält. Und da sind die Kinder, die bereits ganz andere Pläne für die Zukunft haben. Die Regisseurin Carla Simon stammt selbst aus einer Pfirsichbauernfamilie und hat mit kundiger Hand und noch mehr Einfühlungsvermögen ein fabelhaftes Ensemble aus regionalen Laiendarstellern zusammengebracht. Die Kamera ist immer mittendrin im Geschehen und bewegt sich wie ein weiteres Familienmitglied durch die Szenen. Und es gibt die subtile Botschaft, dass auch die erneuerbaren, emissionsfreien Energien Platz brauchen und Menschen aus ihrem angestammten Umfeld vertreiben. Der Familie Solee ist es egal, ob ihre Pfirsichbäume einem Luxushotel mit Golfplatz oder einem Solarpark weichen müssen.
Spanien 2022, Regie: Carla Simon, Darsteller: Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin, Josep Abad, Xenia Roset, ab 6, 120 min