Filmprogramm im April 2024


3.4. | Olfas Töchter

18.00/20.30

Vor mehr als sieben Jahren geriet die Tunesierin Olfa Hamrouni in die Schlagzeilen. Öffentlich kritisierte sie die Regierung, nicht genug gegen den Einfluss des islamischen Staates zu tun. Voll Wut und Verzweiflung klagte die geschiedene Frau an, dass zwei ihrer Töchter nicht ausreichend geschützt worden wären. Olfa hatte die beiden noch jugendlichen Mädchen an den IS verloren. In ihrem Film versucht die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania nun, die Umstände zu ergründen. Äußerst schmerzhaft ist diese Rückschau vor allem für Olfa selbst. Immer wieder hat sie die Macht des Patriarchats zu spüren bekommen, von ihrem Vater, ihrem Ehemann, ihrem Geliebten, aber auch von vielen Frauen. Und sie muss sich auch die eigenen Fehler eingestehen. Die Strenge, die Gewalt, die sie als Kind und Ehefrau erfahren hatte, gab sie später an ihre Töchter weiter. Die Regisseurin Ben Hania erzählt diese Geschichte in einer ungewöhnlichen Mischung aus Dokumentation und Fiktion. Olfa und ihre zwei verbliebenen Töchter sind real, die beiden verschwundenen lässt Ben Hania von zwei Schauspielerinnen verkörpern. „Olfas Töchter“ legt dabei Traumata frei, die über Generationen weitergetragen wurden – ein tiefer Einblick in den Einfluss des Islamismus im modernen Tunesien.

Tunesien/Frankreich 2023, Regie: Kaouther Ben Hania, Darsteller: Olfa Hamrouni, Eya Chikhaoui, Tayssir Chikhaoui, Nour Karoui, Ichraq Matar, ab 12, 107 min


10.4. | Geliebte Köchin

18.00/20.30

Frankreich in den 1880er Jahren. Seit zwei Jahrzehnten arbeitet die Köchin Eugenie (Juliette Binoche) für den berühmten Gourmet Dodin Bouffant (Benoit Magimel). Beide sind Meister ihres Fachs und kreieren die köstlichsten Gerichte, die selbst legendäre Köche in Staunen versetzen. Aus der gemeinsamen Zeit in der Küche und die Leidenschaft für die grande cuisine ist über die Jahre weit mehr als nur eine Liebe fürs Essen erwachsen. Die zwei teilen Tisch und Bett miteinander, letzteres indes nach ihren Regeln. Nicht immer steht ihm ihre Schlafzimmertür offen. Sie ist stolz darauf, seine Köchin und nicht seine Frau zu sein. Viele Jahre währt dieser delikate Schwebezustand bereits. Als Eugenie erkrankt, kocht Dodin ein weiteres Festessen, diesmal aber nur für sie. Er bereitet es aus Fürsorge zu und als Liebeswerben. Ob Raffinement und Hingabe genügen, um sie endgültig zu gewinnen? Der Regisseur Tran Anh Hung zelebriert mit „Geliebte Köchin“ geradezu ein kulinarisches Hochamt. Es geht um das französische Kulturgut schlechthin und der Filmemacher schleudert dem Fast Food seinen Fehdehandschuh entgegen. Zahlreiche Schwenks beglaubigen, dass hier tatsächlich die Darsteller kochen – unter Anleitung des Sternekochs Pierre Gagnaire wohlgemerkt. Und: Auf Filmmusik kann Tran Anh Hung verzichten, die Bewegungen der Hände und Arme, der Töpfe, Tiegel und Pfannen sind musikalisch genug.

Frankreich 2023, Regie: Tran Anh Hung, Darsteller: Juliette Binoche, Benoit Magimel, Emmanuel Salinger, ab 6, 135 min


17.4. All of Us Strangers

18.00/20.30

TV-Autor Adam (Andrew Scott) arbeitet an einem Drehbuch über den frühen Tod seiner Eltern, die vor 30 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Eines nachts begegnet er seinem mysteriösen Nachbarn Harry (Paul Mescal). Schnell bahnt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden an. Für sein Drehbuch besucht Adam kurz darauf sein Elternhaus, wo er alles so vorfindet, wie er es zurückgelassen hat. Alles, denn auch seine längst verstorbenen Eltern (Jamie Bell und Claire Foy) sind anwesend, keinen Tag gealtert. Hat seine lange Einsamkeit und Trauer dazu geführt, dass er jetzt die Kontrolle über die Realität verliert? Basierend auf Taichi Yamadas Roman „Sommer mit Fremden“ erzählt der britische Regisseur Andrew Haigh etwas ganz besonderes. Ist es eine Geistergeschichte, ein Traumgebilde, eine Halluzination? Auf jeden Fall ist es eine Annäherung an seine eigene Lebensgeschichte. Auch die Dreharbeiten fanden in dem Haus statt, in dem der Filmemacher seine Kindheit verbracht hatte. Haigh, selbst homosexuell, rückt vor allem die Erfahrung seiner Generation ins Zentrum: Schwuler Teenager in den 1980er Jahren und wie die Eltern darauf reagierten. „All of Us Strangers“ ist vieles in einem, Melodram, schwule Lebensgeschichte, posthume Familien-aufstellung und ein zutiefst philosophischer Film über die Macht der Liebe und die Kraft des Erinnerns – ebenso jedoch eine Studie über das, was wir im Leben mit uns herumtragen, bis wir uns unseren Dämonen stellen und alles zu einem versöhnlichen Ende bringen. Oder dies zumindest versuchen.

Großbritannien 2023, Regie: Andrew Haigh, Darsteller: Andrew Scott, Paul Mescal, Jamie Bell, Claire Foy, ab 12, 105 min

Die 20.30-Uhr-Vorstellung wird im englischen Original mit Untertiteln gezeigt.


24.4. | The Zone of Interest

18.00/20.30

Es sieht so paradiesisch aus: Der gepflegte Garten mit Gemüsebeet, Vogelgezwitscher. Ein kleines Idyll, das sich Hedwig und Rudolf Höß (Sandra Hüller und Christian Friedel) mit ihren Kindern hier aufgebaut haben. Doch Rudolf Höß ist Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz und sein Wohnhaus grenzt direkt an das Lager. Schüsse, Schreie, Hundegebell dringen unablässig herüber. Doch für das Ehepaar Höß sind das nur Hintergrundgeräusche, so als wohne man an einer belebten Straße und blende den Lärm irgendwann aus. Der britische Regisseur Jonathan Glazer konzentriert sich in seinen Bildern vollständig auf die Bilderbuchidylle im Hause Höß. Das Innere des deutschen Vernichtungslagers, in dem Hunderttausende Juden ermordet wurden, zeigt er nicht. Im Prinzip habe er zwei Filme gedreht: „Es gibt den Film, den man sieht, und den Film, den man hört.“ Aus diesem Zusammenspiel entsteht eine mächtige, sinnliche und moralische Spannung. Der Zuschauer kann nicht ignorieren, was die Familie Höß zwar hört, aber beharrlich leugnet. Der Horror entwickelt sich für das Publikum über die Tonspur. Ein beklemmender, verstörender und intensiver Film, der mit den Kontrasten spielt und noch mehr mit der Auslassung. Der tödliche Schrecken bleibt draußen, er ist nur zu hören, aber er ist unüberhörbar. Glazer: „Mein Ziel war es, den Kontrast einzufangen zwischen jemandem, der sich in seiner Küche eine Tasse Kaffee einschenkt und jemandem, der auf der anderen Seite der Mauer ermordet wird, die Koexistenz dieser beiden Extreme.“

Großbritannien/USA/Polen 2023, Regie: Jonathan Glazer, Darsteller: Sandra Hüller, Christian Friedel, Imogen Kogge, ab 12, 105 min


Kommunales Kino Bremerhaven


Kino 4 im CineMotion, Karlsburg 1
Eintrittskarten-Info: Tel. 040 / 5555 588 718
Internet: www.koki-bremerhaven.de

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