24.1. | Elaha

18.00/20.30

In Kooperation mit den Soroptimistinnen Bremerhaven

Eine junge Frau in einem smaragdgrünen Kleid tanzt ausgelassen auf einer Hochzeit – bis ihre Mutter sie zu sich an den Tisch ruft und mahnt, sich zurückzunehmen. In dieser Szene deutet sich der Konflikt bereits an, den die Titelfigur Elaha mit den Wertvorstellungen und Rollenerwartungen ihrer kurdischen Kultur und Familie hat. Was die 22-jährige aber in die Verzweiflung treibt, ist ihre eigene anstehende Heirat und die panische Angst davor, ihr Verlobter könne in der Hochzeitsnacht merken, dass sie bereits zuvor Sex hatte. Eine plastische chirurgische Hymenrekonstruktion scheint ihr letzter Ausweg zu sein. Die Theaterschauspielerin Bayan Layla legt diese Figur zwischen Verzweiflung und zaghafter Emanzipation an. Ihr gelingt es, zwischen Wut, Traurigkeit, nackter Angst und Kampfgeist umzuschalten. Glaubhaft verkörpert sie eine Frau, die zwischen den Stühlen sitzt. In Deutschland aufgewachsen, lehnt sie bestimmte kulturelle Regeln ab. Trotzdem liebt sie ihre Familie und Traditionen und will nicht davonlaufen. Sie findet kleine Lücken im System und widersetzt sich den starren Regeln, die nur für Frauen, nie für Männer gelten. Eine Doppelmoral, die das Zuschauen stellenweise fast unerträglich macht. Dabei geht der physische und psychische Druck hier nicht nur von Männern aus. Vielmehr sind es die Frauen, vor allem Elahas Mutter, deren eigenes Ansehen zwischen den Beinen ihrer Töchter zu stecken scheint. Elahas Verlobter und vor allem ihr Vater wirken eher wie hilflose Randfiguren. Und die Regisseurin Milena Aboyan arbeitet auch heraus, wie absurd der Mythos der sogenannten Jungfräulichkeit ist: Die Mehrheit der Frauen blutet beim ersten Geschlechtsverkehr gar nicht und selbst seriöse Gynäkologen können nicht feststellen, ob eine Frau bereits Sex hatte oder nicht.

Deutschland 2023, Regie: Milena Aboyan, Darsteller: Bayan Layla, Derya Durmaz, Nazmi Kirik, ab 12, 110 min

17.1. | The Quiet Girl

18.00/20.30

Die neunjährige Cait (Catherine Clinch) ist eines unter mehreren Geschwistern. Die Eltern sind mit der Erziehung und dem Betrieb ihres Hofes überfordert. Da kommt das Angebot der Cousine der Mutter, dass Cait den Sommer doch bei ihnen verbringen könne, gerade recht. Die Cinnsealachs sind ein kinderloses Paar mittleren Alters. Hier erfährt Cait eine Fürsorge, die sie bisher nicht kannte. Es sind kleine Gesten, wie ein beiläufig zugesteckter Keks oder ein sanftes Streichen der Haare aus dem Gesicht, die die Fürsorge der Cinnsealachs für Cait zeigen. Dabei lässt der Film des irischen Regisseurs Colm Bairead die Figuren nie klischeehaft werden. Weder werden Caits Eltern als Monster abgestempelt, noch scheinen die Cinnsealachs perfekt zu sein. Ein Film, der die Bedeutung von Geborgenheit für ein Kind hervorhebt und der zeigt, wie schon kleine Dinge ausreichen können, um sie herzustellen. Dafür gab es bei der Berlinale 2022 den Hauptpreis der Sektion Generation.

Irland 2022, Regie: Colm Bairead, Darsteller: Catherine Clinch, Carrie Crowley, Andrew Bennett, ab 12, 95 min

10.1. | Joyland

18.00/20.30

Haider (Ali Junejo) ist der jüngste Sohn einer konservativen pakistanischen Großfamilie. Während seine zielstrebige Frau Mumtaz (Rasti Farooq) als Kosmetikerin Geld verdient, kümmert er sich um die Familie, doch ohne Einkommen und ohne Nachwuchs entspricht Haider in keiner Weise den Vorstellungen seiner Familie. Schließlich gibt er dem Druck nach, einen Job zu finden und heuert bei einem erotischen Tanztheater an. Dort fällt seine Aufmerksamkeit auf die transsexuelle Tänzerin Biba (Alina Khan) und schon bald muss er sich eingestehen, dass er sich in sie verliebt hat. Dem Regisseur Saim Sadiq ist mit seinem Filmdebüt ein erstaunlicher Film gelungen. Seine revolutionäre Kraft, die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu hinterfragen, kommt auf sehr leisen, gefühlvollen Sohlen daher. Familiäre Strukturen, die klassische Rollenverteilung, gängige Männlichkeitsbilder – die Figuren im Film ringen mit den gesellschaftlichen Erwartungen – und mit sich selbst. Das gefiel im streng islamischen Pakistan nicht jedem. „Joyland“ wurde nur kurz in wenigen Großstädten wie Lahore und Karatschi im Kino gezeigt und dann auf Druck der mächtigen Mullahs gestoppt.

Pakistan 2022, Regie: Saim Sadiq, Darsteller: Ali Junejo, Rasti Farooq, Alina Khan, ab 12, 126 min

3.1. | Heaven can wait – Wir leben jetzt

18.00/2030

Unter 70 braucht man gar nicht erst vorzusingen. Der Chor „Heaven can wait“ aus Hamburg hat es sich zum Ziel gesetzt, das Leben jenseits des Ruhestands mit der ansteckenden Kraft der Musik zu feiern. Wilhelm, Wolfgang, Inge, Monika, Joanne und Volli singen aus vollem Halse und mit tiefer Inbrunst Lieder von Sarah Connor, Frida Gold, Mark Forster und Deichkind. Der Dokumentarfilmer Sven Halfar hat sie dabei über mehrere Monate begleitet. Alle Chormitglieder haben ein langes Leben geführt. Die Kamera fängt die einzelnen Schicksale auf verschiedenste Weise ein, ohne dass sich zu viele gesprochene Worte in den Vordergrund drängen. Lange Bildeinstellungen auf die markanten Gesichter der Sänger, lange Blicke in die Wohnungen, in denen sich Erinnerungen und Krimskrams stapeln, nahe und halbnahe Einstellungen während der Gesangsauftritte; der Film feiert mit seinen Protagonisten das Leben, das Hier und Jetzt. Dabei gelingt Sven Halfar eine sensibel austarierte Balance zwischen Empathie und filmischer Distanz. Der Tod ist ein Teil der Gemeinschaft, aber schwebt nie wie ein Damoklesschwert über den Sequenzen, ist nie so groß wie das Ja zum Leben.

Deutschland 2023, Regie: Sven Halfar, Dokumentarfilm, ohne Altersangabe, 103 min

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