1.10. | Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes

In Kooperation mit der Philosophischen Gesellschaft Bremerhaven anlässlich ihres 75-jährigen Jubiläums

18.00/20.30

Hannover im Jahr 1704: Der Haus- und Hofmaler Pierre Albert Delalandre (Lars Eidinger) soll im kurfürstlichen Schloss Herrenhausen den berühmten Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (Edgar Selge) porträtieren. Mit weitgehend vorgefertigten Gemälden angereist, will er diesen vor Ort nur noch das Gesicht einfügen. Leibniz gefällt dieses Vorgehen überhaupt nicht, es kommt zum Streit und Delalandre ergreift samt seinen Utensilien entnervt die Flucht. Im zweiten Anlauf stellt sich die, als Mann verkleidete, junge flämische Malerin Aaltje Van de Meer (Aenne Schwarz) im Schloss vor. Nach anfänglichen Dissonanzen entwickelt sich die mehrtägige Portrait-Sitzung zu einem vergnüglichen (Streit)gespräch über Gott, die Welt und die Wahrheit in der Kunst. Der Film der beiden Regisseure Edgar Reitz und Anatol Schuster ist ein Kammerspiel, das sich auf das als Atelier genutzte Arbeitszimmer des Philosophen beschränkt und nur hin und wieder den barocken Park des Schlosses einbezieht. Und „Leibniz“ ist ein Film der Bilder, der zurückgreift auf die Barockmaler Michelangelo da Caravaggio und Jan Vermeer.

Deutschland 2025, Regie: Edgar Reitz, Anatol Schuster, Darsteller: Edgar Selge, Aenne Schwarz, Lars Eidinger, ab 6, 104 min

Vor der 18.00 Uhr-Vorstellung gibt es eine Einführung durch den Vorstand der Philosophischen Gesellschaft.

8.10. | In die Sonne schauen

17.30/20.30

Ein abgelegener Bauernhof in der Altmark, vier Frauen lebten hier nacheinander über die Jahrzehnte – Alma (Hanna Heckt), Erika (Lea Drinda), Angelika (Lena Urzendowsky) und Nelly (Zoe Baier). Jede von ihnen verbringt ihre Kindheit und Jugend an diesem Ort. Über ein Jahrhundert spannt sich die Erzählung, vom Kaiserreich über den Zweiten Weltkrieg und die DDR der achtziger Jahre bis in die Gegenwart. Alle vier haben ihre Erinnerungen und es sind kaum glückliche darunter; vielmehr pflanzt sich Verdrängtes und Traumatisches über die Generationen fort. Mitten im Leben stehend wird den Protagonistinnen immer wieder der Boden unter den Füßen weggezogen – der internationale Titel des Films „Sound of Falling“ ist tatsächlich der deutlich passendere. Die Regisseurin Mascha Schilinski entfaltet ihre Erzählung mit Rückblicken und Vorgriffen, in assoziativen Schüben. Da kann es vorkommen, dass die Kamera in einer ununterbrochenen Kreisfahrt durch Diele, Küche und Stuben plötzlich in einer anderen Epoche landet. Dies alles wird präsentiert in malerisch weichen Farben und körnigen Bildern, im klassischen 4:3-Format. Mascha Schilinski bekam für ihr episches Werk den Preis der Jury beim diesjährigen Filmfestival in Cannes.

Deutschland 2025, Regie: Mascha Schilinski, Darsteller: Hanna Heckt, Lea Drinda, Lena Urzendowsky, Zoe Baier, ab 16, 149 min

15.10. | Das Deutsche Volk

18.00/20.30

Am Abend des 19. Februar 2020 erschoss der 43-jährige Tobias Rathjen in Hanau innerhalb von zwölf Minuten neun Menschen mit Migrationsgeschichte und anschließend in seiner Wohnung in Kesselstadt seine Mutter und sich selbst. In seinem Dokumentarfilm „Das Deutsche Volk“ blickt Marcin Wierzchowski aus der Perspektive der Freunde und Hinterbliebenen der Opfer auf die Ereignisse. Über vier Jahre hinweg hat der Regisseur sie mit und ohne Kamera begleitet. Der Film zeigt, wie unterschiedlich die Betroffenen mit ihrer Trauer umgehen. Die einseitige und vorbehaltlose Fokussierung auf die Sichtweise der Opfer ist sehr bewusst gewählt, sie ist quasi eine kinematographische Verlängerung des Hashtags „SayTheirNames“, der um die Welt gegangen ist. Wierzchowski macht es sich auch zur Aufgabe, strukturellen Rassismus offenzulegen – das Sondereinsatzkommando, das in der Nacht das Haus des Täters stürmte, wurde später aufgelöst, weil die Hälfte der Beamten in rechtsradikalen Chatgruppen unterwegs war. Eine einfühlsame Dokumentation über Trauer und Trauma und über den Kampf für Gerechtigkeit.

Deutschland 2025, Regie: Marcin Wierzchowski, Darsteller: Cetin Gültekin, Sedat Gübru, Piter Minnemann, ab 6, 132 min

22.10. | Karla

18.00/20.30

Bayern 1962. Vater, Mutter, drei Kinder sitzen in ihrem Auto, ein netter Familienausflug in einer heilen Welt, so scheint es. Doch beim Toilettenstopp im Grünen läuft die 12-jährige Karla (Elise Krieps) davon. Sie rennt über Wiesen und Felder, schlägt sich durch zum nächsten Polizeirevier.und erstattet Anzeige – gegen ihren Vater. Es ist nicht ihr erster Versuch. Sie hat nachgelesen in der Bibliothek. Über Gesetze und Paragraphen für „unzüchtige Handlungen“ oder über „das Recht auf Leben“. Ob das auch ein Recht auf ein gutes Leben sei und ob das auch für Kinder gelte, fragt sie Richter Lamy (Rainer Bock), der spät in der Nacht hinzugezogen wird. Doch den Tathergang kann und will sie nicht schildern. Zunächst wird Karla im Mädchenheim eines Klosters untergebracht. Dass sie sich bei den strengen Nonnen wohler fühlt als zuhause bei ihrer Familie, ist für den Richter ein Grund mehr, ihr zu glauben. Ein brummiger Typ, dieser Richter Lamy; immerhin kann er zuhören und er nimmt Karla ernst. Und dann die scheinbar aussichtslose Gerichtsverhandlung, in der die Aussage des Mädchens gegen die der Mutter (Katharina Schüttler) als Zeugin und die des Vaters (Torben Liebrecht), dem Angeklagten, steht. Feinfühlig und berührend erzählt die Regisseurin Christina Tournatzes diese wahre Geschichte von 1962, in kurzen und intensiven Dialogen und mit poetischen Ausflügen in Karlas Phantasiewelt, in die sie sich immer wieder flüchtet. Eine stille Kraft erfüllt die traumatisierte 12-jährige zwischen hilflosem Schweigen und ihrem unbändigen Willen nach Gerechtigkeit und einem Leben ohne Übergriffe. Ein leiser Film, der unter die Haut geht und gleichzeitig eine ungeheure Spannung aufbaut.

Deutschland 2025, Regie: Christina Tournatzes, Darsteller: Elise Krieps, Rainer Bock, Katharina Schüttler, Torben Liebrecht, ohne Altersangabe, 104 min

29.10. | Miroirs No. 3

18.00/20.30

Ein Aufbruch ins Wochenende sollte es werden für Laura (Paula Beer) und ihren Freund, doch die Fahrt im roten Cabrio endet mit einem Crash auf der Landstraße. Der Freund stirbt bei dem Unfall, Laura jedoch bleibt fast unverletzt. Die ältere Betty (Barbara Auer), Zeugin des Unfalls, nimmt Laura wie eine Tochter in ihrem Haus auf, in dem sie mit ihrem Mann Richard (Matthias Brandt) und ihrem Sohn Max (Enno Trebs) lebt. Aber die ländliche Idylle ist trügerisch, von Anfang an. Die Familie ringt selbst mit ihrem Schicksal und das besteht vor allem aus dem frühen Tod ihrer eigenen Tochter. Und es stellt sich die Frage; ist Laura überhaupt noch am Leben oder wie Nina Hoss in „Yella“ (2007) bereits tot? Eine Tote, die in einer um eine andere Tote trauernde Familie eine Art Auferstehung erlebt? Der neue Film des Regisseurs Christian Petzold ist eine helle, märchenhafte Sommergeschichte, die, möglicherweise, auch zum Horrorfilm werden kann.

Deutschland 2025, Regie: Christian Petzold, Darsteller: Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs, ab 12, 86 min

3.9. | Oslo Stories: Sehnsucht

18.00/20.30

Zwei Schornsteinfeger unterhalten sich während ihrer Arbeitspausen; sie sind nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde. Einer der beiden gesteht, er habe gestern mit einem Kunden spontanen Sex gehabt und er habe es genossen. Ob er schwul sei, fragt der andere. „Ich bin nach meinem ersten Bier doch auch kein Alkoholiker“ und außerdem sei Sex für ihn kein Fremdgehen, antwortet der erste. Das versucht er auch seiner Frau klarzumachen. Die hadert trotzdem damit, dass sie ihrem sie über alles liebenden Mann alle Freiheiten gewähren will und es ihr zugleich so schwer fällt, seinen Seitensprung zu akzeptieren. Die beiden Schornsteinfeger offenbaren sich in ihren Gesprächen ihre Beziehungen, Bedürfnisse und Träume und kommen über ihre Geschlechterbilder ins Grübeln. Was bedeutet es, sexuell frei zu sein, während man gleichzeitig in einer klassischen Beziehung mit Ehefrau und Kindern lebt? Wie kann der Versuch gelingen, sich zu entfalten, ohne dass daraus ein Ego-Trip wird? „Sehnsucht“ ist der erste Teil der nur lose zusammenhängenden Oslo-Trilogie des Regisseurs Dag Johan Haugerud (im Original heißt der Film viel passender und vieldeutiger einfach nur „Sex“). Haugerud bricht ohne großes Drama mit Geschlechterstereotypen. So ehrlich und gefühlvoll haben Männer im Kino selten ihre Gedanken ausgetauscht.

Norwegen 2024, Regie: Dag Johan Haugerud, Darsteller: Thorbjörn Harr, Jan Gunnar Röise, Siri Forberg, Birgitte Larsen, ab 12, 118 min

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