18.00/20.30
Wim Wenders und Anselm Kiefer sind nicht nur nahezu gleich alt (beide Ende 70), sie sind auch Seelenverwandte in ihrem jeweiligen Metier, dem Film und der bildenden Kunst. Und nun legt der Filmemacher eine Dokumentation über den Künstler vor. Er enthüllt Kiefers Lebensweg, seine künstlerischen Anfänge im Odenwald, die ersten großformatigen Bilder von Natur und Landschaft. Dann sehen wir Fahrten zu Josef Beuys nach Düsseldorf, mit eingerollten Arbeiten auf dem Dach seines VW-Käfers; schließlich der Aufbruch nach Südfrankreich und später Paris. Dabei lässt Kiefer die unheilvolle deutsche Geschichte niemals los. Wenders zeigt, wie der Künstler ringt mit dem Tausendjährigen Reich und seinen Folgen, den Trümmerlandschaften und der verbrannten Erde, der Blutspur der Geschichte. Und so arbeitet er mit Materialien wie Asche und Stroh, malträtiert seine Leinwände mit Flammenwerfern und gießt Blei über sie. Dabei gelingt es Wenders, die Grenzen zwischen Film und Malerei immer wieder zu verwischen und gleichzeitig Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verweben. Dokumentarisches Material steht neben Spielszenen, in denen Wenders Großneffe Anton Wenders und Kiefers Sohn Daniel den Künstler als Kind bzw. als jungen Mann verkörpern. Am schönsten aber imaginiert der Filmemacher Kiefers künstlerische Essenz, wenn er ihn hoch auf einem Drahtseil über Trümmerlandschaften balancieren lässt. Ein großer Film über einen großen zeitgenössischen Künstler.
Deutschland 2023, Regie: Wim Wenders, Dokumentarfilm, ab 12, 93 min