04.09 | Shahid

18.00/20.30

„Menschen wie du mögen ihre Vergangenheit nicht“, sagt der fegende Müllmann treffend zu Narges Shahid Kalhor, als die an ihm vorbeiläuft. Narges (Baharak Abdolifard) ist aus dem Iran nach Deutschland gekommen und will nun ihren zweiten Nachnamen Shahid loswerden. Der bedeutet auf persisch Märtyrer und stammt von ihrem Urgroßvater, der bei der Revolution in den 1920er Jahren starb und den Ehrennamen an seine Familie vererbte. Im bayerischen Kreisverwaltungsreferat reicht die Iranerin eine absurde Menge an Bescheinigungen, Urkunden, Zeugnissen und Schreiben ein, aber jedesmal fehlt aufs neue etwas. In einer turbulenten Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm, Musical und Theater verarbeitet die Regisseurin Narges Kalhor ihre eigenen Erfahrungen. Die 1984 in Teheran geborene Filmemacherin beschäftigt sich in ihrer Tragikomödie mit den Themen Zugehörigkeit, kulturelle Identität und Integration. Klar und deutlich wendet sie sich gegen ideologische Radikalisierung jeglicher Art. Kalhor schwört nicht nur ihrer eigenen Geschichte ab, sondern auch der Kirche und dem Patriarchat. Und nicht zuletzt ist „Shahid“ auch ein Film über das Filmemachen, wenn die Schauspieler aus ihren Rollen schlüpfen und ihre Szenen besprechen oder das Filmteam mit den eigenen Drohnenaufnahmen in einer Wohnung kämpft. „Shahid“, bei der letzten Berlinale mit dem Caligari-Preis ausgezeichnet, passt in keine Schublade hinein; der in alle Richtungen flirrende Film zimmert sich gleich eine ganz eigene.

Deutschland 2024, Regie: Narges Kalhor, Darsteller: Baharak Abdolifard, Nima Nazarinia, Saleh Rozati, ab 12, 84 min

Die Regisseurin, Narges Kalhor, wird anwesend sein und nach dem Film für ein Publikumsgespräch zur Verfügung stehen.

11.09 | Gleichung ihres Lebens

18.00/20.30

Kann man jede gerade Zahl als Summe von Primzahlen darstellen? Die sogenannte Goldbachsche Vermutung gehört zu den bekanntesten ungelösten Problemen der Mathematik. Professor Werner (Jean-Pierre Darroussin) will mit dieser Frage seine Studenten dazu anregen, bei der Beweisführung um die Ecke zu denken und neue Perspektiven zu finden. Werners bestes Pferd im Stall ist die einzige Frau im Seminar, Marguerite (Ella Rumpf). Doch bei der Vorstellung ihrer Arbeitsergebnisse wird die Doktorandin von Lucas (Julien Frison) auf einen Fehler in ihrer Beweisführung hingewiesen. Marguerite verliert die Nerven und flieht Hals über Kopf vor der Blamage. Sie nimmt Quartier in der Pariser Chinatown im 13. Arrondissement und versucht, sich mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Der gute Ausgang dieses Ausbruchs aus der Sphäre der Wissenschaft ins pralle Leben, angefüllt mit Normalos, ist im groben vorhersehbar. Dennoch überrascht der Film der Regisseurin Anna Novion mit seiner unorthodoxen Erzählweise. Das liegt vor allem an der Hauptdarstellerin, der zweisprachigen Schweizer Schauspielerin Ella Rumpf. Abwechselnd verletzlich, unliebenswürdig und herumkommandierend, spielt sie die Rolle der Marguerite, gleichzeitig kantig, spitzbübisch und charmant. Ein schillerndes Frauenportrait, das man so schnell nicht vergisst. Ella Rumpf wurde für diese Leistung mit einem César als beste Nachwuchsdarstellerin belohnt.

Frankreich/Schweiz 2024, Regie: Anna Novion, Darsteller: Ella Rumpf, Jean-Pierre Darroussin, Julien Frison, 114 min

18.09 | Love Lies Bleeding dt.

18.00/20.30

Die 20.30-Uhr-Vorstellung wird in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt

Schauplatz der Handlung: New Mexico, Kleinstadt, 1989. Jedoch, wer jetzt einen zu Herzen gehenden Retro-Film vor malerischer Kulisse erwartet, könnte nicht falscher liegen. Wir sehen geradezu das Stereotyp eines heruntergekommenen, männerdominierten amerikanischen Städtchens. Dort arbeitet Lou (Kristen Stewart) in einem versifften Fitness-Studio. Das Reinigen verstopfter Toiletten gehört genauso zu ihren Aufgaben wie die Leerung zum Bersten gefüllter Mülleimer. Detailliert gezeigt werden diese Tätigkeiten ebenso wie die verschwitzten Körper der Macho-Männer; ihre Waffen dürfen auch nicht fehlen. In diese trostlose Situation platzt die Ankunft der Body-Builderin Jackie (Katy O’Brian). Lou und Jackie fühlen sich sofort magisch angezogen voneinander und beginnen eine leidenschaftliche Beziehung. Das bietet Lou endlich die Chance auf Befreiung aus dem Kleinstadtmief und auch aus ihren toxischen Familienverhältnissen. Ihre Tante Beth (Jena Malone) wird von ihrem untreuen Mann JJ regelmäßig misshandelt. Lou selbst hat ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater, einer lokalen Verbrechergröße, ihre Mutter ist verschwunden. Als Beth nach einem weiteren brutalen Übergriff von JJ im Krankenhaus liegt, brennen bei der mit Steroiden vollgepumpten Jackie die Sicherungen durch; sie schlägt JJ brutal zusammen. Lou versucht daraufhin, die Leiche zu entsorgen und den Verdacht auf ihren verhassten Vater zu lenken. Ein wildes Katz- und Maus-Spiel beginnt. Die Regisseurin Rose Glass zeigt das ganze Geschehen exzessiv mit viel Blut und Gewalt. Dabei herausgekommen ist eine Mischung aus Thriller, Neo-Noir, makabrem Humor, aber auch Romanze und noch einigem mehr.

USA 2024, Regie: Rose Glass, Darsteller: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Dave Franco, ab 16, 104 min

25.09. | Führer und Verführer

18.00/20.30

Als Adolf Hitler nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 nach Berlin zurückkehrt, wird ihm ein triumphaler Empfang bereitet. Die Menschen jubeln ihm zu, ein Mädchen streckt ihm eine Rose entgegen. Alles ein Werk des Propagandaministers Joseph Goebbels und seiner Mitarbeiter. Goebbels fährt in „Führer und Verführer“ durch die Straßen, um die Vorbereitungen zu überprüfen. „Wir schaffen die Bilder, die bleiben werden“, sagt der Minister zu seinen Abteilungsleitern, die Bilder aus der Wochenschau, wie der „Führer“ die Ovationen der jubelnden Menge entgegennimmt. Der Regisseur Joachim Lang leuchtet tief hinein hinter die Kulissen der Inszenierung des Dritten Reiches; er zeigt, wie Propaganda funktioniert und wie perfekt das NS-Regime sie beherrschte. Deshalb steht auch der Propagandaminister im Mittelpunkt des Films, man blickt auf die Nazi-Clique aus seiner Sicht. „Führer und Verführer“ liefert eine Innenansicht der Macht in Nazi-Deutschland zwischen 1938 und 1945, treibt es aber mit der filmischen Anpassung nicht allzu weit. Robert Stadtlober (Joseph Goebbels) deutet den rheinischen Dialekt des Propagandaministers nur an und Fritz Karl als Adolf Hitler lässt den eher im Plauderton sprechen, ohne das inszenierte Gekreische und das Pathos der öffentlichen Auftritte des Diktators.

Deutschland 2024, Regie: Joachim Lang, Darsteller: Robert Stadtlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, ab 12, 135 min

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