20.11. | The Beast

18.00/20.30

Im Zentrum dieses Films steht Gabrielle (Lea Seydoux), die wir in drei verschiedenen, sagen wir Inkarnationen erleben. 1910 ist sie eine Konzertpianistin in Paris; ein Jahrhundert später, im Jahr 2014, steht sie am Anfang einer Laufbahn als Model in Los Angeles. 2044 schließlich ist sie Teil der schönen neuen Welt, in der künstliche Intelligenz das Leben der Menschen beherrscht. Kalte, klare Vernunft ist das gesellschaftliche Ideal. Gefühle und Spuren von Traumata stören da nur. Die Menschen unterziehen sich einer DNA-Reinigung, damit sie reibungsloser funktionieren und produktiver arbeiten können; auch Gabrielle lässt sich auf eine solche Operation ein. Der Film verschachtelt immer wieder Zeit- und Bewusstseinsebenen und erst nach und nach erschließt sich, dass die Szenen aus den Jahren 1910 und 2014 die innere Reise der Gabrielle von 2044 in ihre früheren Leben während des Prozesses der DNA-Reinigung zeigen. Inspiriert wurde der Film des Regisseurs Bertrand Bonello von Henry James‘ Kurzgeschichte „The Beast in the Jungle“ und diese Bestie, das sind unsere ungelösten Ängste und Traumata, eine Bestie, oft noch unsichtbar, aber eine, die irgendwann unweigerlich angreifen wird. Auch wenn das gefühlsbejahende Fazit, Angst und Schmerz seien eben der Preis für die gefühlsmäßige Intensität des Lebens und ihre Abschaffung daher keine gute Idee, leicht zu ziehen scheint: Die im Dschungel lauernden Bestien verlieren dadurch nichts von ihrem Schrecken. Bertrand Bonellos höchst eigenwilliger Science-Fiction-Film erzählt von diesem unauflösbaren Widerspruch.

Frankreich/Kanada 2023, Regie: Bertrand Bonello, Darsteller: Lea Seydoux, George MacKay, Guslagie Malanda, ab 16, 146 min


Der Trailer für „The Beast“ ist leider nur auf Französisch erhältlich. Der Film ist aber deutschsprachig.

27.11. | In Liebe, Eure Hilde

18.00/20.30

Der Widerstand gegen das NS-Regime hatte zahlreiche Facetten; eine davon war die sogenannte „Rote Kapelle“. Der von der Gestapo geprägte Begriff ist nicht ganz korrekt. Trotz der unmittelbaren Verbindung der Gruppe zur Sowjetunion waren längst nicht alle Mitglieder Kommunisten. Ende August 1942 wurde das Netzwerk von der Gestapo zerschlagen, die Mitglieder verhaftet und gefoltert. Über 50 von ihnen wurden 1943 hingerichtet. Unter ihnen war Hilde Coppi, die Flugblätter hergestellt und Informationen über die Wehrmacht per Funkgerät an die Sowjetunion übermittelt hatte. Ihre Geschichte erzählt der Regisseur Andreas Dresen in seinem Film und er wählt dafür eine sehr private Perspektive; die politisch-weltanschaulichen Hintergründe blendet er weitgehend aus. Strukturiert wird der Film durch zwei Erzählstränge. Der eine schildert linear Hildes Zeit im Gefängnis von der Verhaftung bis zur Hinrichtung. Parallel erzählen Rückblenden die Vorgeschichte mit der Liebesbeziehung zwischen Hilde und ihrem Mann Hans (Johannes Hegemann). Aus ihr erwachsen die berührendsten Szenen des Films, die Zeit von Hildes Schwangerschaft im Gefängnis und die wenigen Wochen, in denen sich die zum Tode Verurteilte in ihrer Zelle noch um ihren neu geborenen Sohn kümmern darf. Die herausragend spielende Liv Lisa Fries verkörpert diese Frau mit all ihrer Angst und Verzweiflung und dabei doch immer wieder Hoffnung und Mut schöpfend. Andreas Dresen zeigt Hilde Coppi ganz bewusst nicht als Heldin, sondern als zurückhaltende, fast ängstliche Person. Aber sie zweifelte eben auch nicht daran, dass es richtig, anständig und notwendig war, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen.

Deutschland 2024, Regie: Andreas Dresen, Darsteller: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Alexander Scheer, ab 12, 125 min

2.10. | Touch

18.00/20.30

Die 20.30 Uhr-Vorstellung wird im englischen Original mit deutschen Untertiteln gezeigt.

„Bei Ihnen entwickelt sich eine Demenz“, sagt der Arzt zu dem Isländer Kristofer (Egill Olafsson). Durch diese schockierende Diagnose wird dem 75-jährigen sofort klar, dass seinem Leben, zumindest dem bewusst wahrgenommenen, nur noch eine kurze Frist beschieden ist. Und ebenso schlagartig weiß er, welche noch offene Baustelle in seinem Leben er unbedingt noch schließen muss, bevor es zu spät dafür ist. Anfang der 1970-er Jahre war er aufgebrochen, nach London, um dort das quirlige Leben der britischen Hauptstadt aufzusaugen. Die schöne Japanerin Miko (Koki) lernte er dabei kennen und lieben, aber ebenso unverhofft, wie er sie getroffen hatte, verschwand die junge Frau auch wieder aus seinem Leben. Ganz offensichtlich spielte dabei deren tragische Familiengeschichte eine Rolle. Miko war, in zweiter Generation, ein atomic bomb survivor, eine Überlebende des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Kristofer reist also 60 Jahre später wieder nach London, um Mikos Spur aufzunehmen, eine Suche, die ihn über England schließlich nach Japan führt. Diese Spurensuche bildet die Rahmenhandlung des Films des Regisseurs Baltasar Kormakur. Der renommierte isländische Filmemacher unterbricht sie immer wieder durch lange Rückblenden in das Londoner Leben des jungen Kristofer (gespielt von Palmi Kormakur). Intensiv taucht der Film ein in die pulsierende Atmosphäre des swinging London. Ein melancholisch-sanftes Liebesdrama mit tragischem Hintergrund, ein modernes Märchen.

Island 2024, Regie: Baltasar Kormakur, Darsteller: Egill Olafsson, Palmi Kormakur, Koki, ab 12, 121 min

9.10. | Was will der Lama mit dem Gewehr?

18.00/20.30

Die ganze Welt erstickt in Chaos und Krieg. Die ganze Welt ? Nein, in Bhutan, einem kleinen buddhistischen Königreich im Himalaya, ist die Welt noch in Ordnung. Bis der junge König auf die Idee kommt, sein Volk glücklich zu machen, indem er ihm zuerst Zugang zu Fernsehen und Internet gibt und dann auch noch demokratische Wahlen einführt. Wir sind doch schon glücklich, denken sich die Untertanen verwirrt. Es ist doch alles gut, wie es ist, wen oder was sollen wir wählen und warum überhaupt ? Da schickt der Lama aus seiner abgelegenen Meditationsklause einen Mönch los, damit der bis zum Vollmond ein paar Gewehre besorge; er wolle eine wichtige Zeremonie durchführen, es müsse wieder Frieden einkehren. Leichter gesagt als getan in einem Land, in dem kaum einer eine Waffe besitzt und viele gar nicht wissen, wie ein Gewehr überhaupt aussieht. Der Regisseur Pawo Choyning Dorji beschäftigt sich in seinem Film mit den umwälzenden Veränderungen, die Bhutan in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat und die angekündigte geheimnisvolle Zeremonie spielt dabei eine zentrale Rolle. Aber was will der Lama mit dem Gewehr ?

Bhutan 2023, Regie: Pawo Choyning Dovji, Darsteller: Tandin Wangchuk, Tandin Phubz, Kelsang Choejay, ohne Altersangabe, 107 min

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